FKT-Online-Seminar: Architektur statt Antibiotikum – bauliche Infektionsprävention

„Nur 6,4 Prozent aller Betten in Normalstationen deutscher Krankenhäuser stehen in Einzelzimmern. Daran wird sich wohl so schnell nichts ändern. Höchste Zeit also, das gängige Doppelzimmer so zu optimieren, dass Krankenhausinfektionen zuverlässig vermieden werden.“

Architektur könne und müsse ihren Beitrag zur Infektionsprophylaxe leisten, erklärte Dr. Wolfgang Sunder, Leiter des Instituts für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau, an der TU Braunschweig, beim FKT-Online-Seminar „Architektur statt Antibiotikum – bauliche Infektionsprävention“. Mit zunehmenden Resistenzen und angesichts der Tatsache, dass immer weniger Pharmaunternehmen an neuen Antibiotika forschten, gewinne dieser Ansatz zunehmend an Bedeutung. (Anmerkung der Redaktion: Neue Antibiotika werden meist sofort als Reserveantibiotika eingesetzt, daher rechnet sich Entwicklung in diesem Bereich für die Pharmaindustrie nicht mehr.)

Infektionsprophylaxe im Zweibettzimmer

In einem interdisziplinären Team untersuchte Sunder im Projekt KARMIN, ob das in Deutschland weit verbreitete Zweibettzimmer so optimiert werden kann, dass es im Sinne der Infektionsprävention eine Alternative zum in anderen Ländern üblichen Einzelzimmer darstellt. Die Betten stehen in „seinem“ infektionsprophylaktisch optimierten Zweibettzimmer nicht nebeneinander, sondern gegenüber. Jedem Bett ist eine eigene Arbeitszone, ein Bad mit Dusche und eine kleine Besucherecke zugeordnet. Denn: Neben der Wahl von möglichst gut zu reinigenden Oberflächen und Materialien sowie einer die Hygiene unterstützenden Technik geht es bei der baulichen Infektionsprävention vor allem auch um Entflechtung, Separierung, Isolation und optimierte Pflegeprozesse.

Die bestmögliche Positionierung der Desinfektionsmittelspender – im Zugang zur Working-Area und am Fußende der Patientenbetten - spielt dabei eine ebenso große Rolle wie eine optimale Beleuchtung. „Wenn man konzentriert arbeiten kann, und dazu gehört ausreichend Licht, passieren weniger Hygienefehler, führte Sunder dazu weiter aus. Nicht betrachtet wurden bisher Themen wie Lüftung und Wasserversorgung. Die sollen in dem vor Kurzem eröffneten Forschungs- und Studienlabor „Patientenzimmer der Zukunft“ am Standort in Braunschweig unter die Lupe genommen werden. Hier wird das Patientenzimmer weiter optimiert. In dieser wissenschaftlichen Arbeit kooperiert das Projektteam von der TU Braunschweig mit Fraunhofer IST, dem städtischen Klinikum Braunschweig und diversen Industriepartnern, die jeweils einen Ausstattungsbereich wie Boden, Licht, Armaturen, Oberflächen, … repräsentieren.

Viele zielführende Kompromisse

Der Luxus eines zweiten zusätzlichen Bads mit Dusche und viele andere Aspekte wurden im Rahmen des Webinars kontrovers diskutiert. Aus Komfort- und Hygieneaspekten sei das zweite Bad die beste Lösung gewesen, so Sunder. Sie vereine unter anderem den Vorteil, dass sich in einem Zweibettzimmer Patienten gegenseitig unterstützen können, mit optimaler Hygiene und Intimsphäre. Letztlich zeige dieses Beispiel, dass jede Einzelentscheidung für das Patientenzimmer der Zukunft jedoch auf einen Kompromiss widerstreitender Interessen hinauslaufe. Für jede dieser Abwägungen müsse das Optimum elaboriert werden.

Darum geht es nun in der weiteren Grundlagenforschung zum Patientenzimmer der Zukunft. Die soll sich verstärkt auch der Technischen Gebäudeausstattung widmen. Die Ergebnisse aus dem ersten Projekt wurden in einer Broschüre und in einem Buch zusammengefasst. Die Broschüre steht Ihnen ebenso wie die Präsentation zum Webinar auf der FKT-Homepage zum kostenlosen Download zur Verfügung.

Maria Thalmayr

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Bild von IKE/Tom Bauer