FKT-Online-Seminar: Pilotprojekt Passivhauskrankenhaus

Das weltweit erste zertifizierte Passivhauskrankenhaus in Frankfurt Höchst verbraucht 80 Prozent weniger Heizenergie als das ursprüngliche Bestandsgebäude. Durch die intensive Belüftung fehlt dem innovativen Gebäude nicht nur der typische Krankenhausgeruch. Auch sonst ist einiges anders.

Entgegen dem am weitesten verbreiteten Passivhaus-Klischee können die Fenster geöffnet werden. Die Frage ist nur, ob das überhaupt Sinn macht. „Im zurückliegenden warmen Sommer war es in dem 675-Bettenhaus mit 26 Grad angenehm kühl – auch bei 38 Grad Außentemperatur“, berichtete Michael Mertens beim FKT-Online-Seminar „Passivhausbauweise für Gesundheitsbauten“. Der Inhaber des gleichnamigen Ingenieurbüros koordinierte für das Neubauprojekt die Vorbereitung zur Nutzungsaufnahme und begleitet auch bei der Umsetzung des nächsten Bauabschnitts in Passivhausbauweise.

Derzeit monitort das Darmstädter Passivhausinstitut, inwieweit sich die für das Klinikum erstellte Grundlagenstudie zur Machbarkeit eines Krankenhauses in Passivhausbauweise mit der nun erlebten Praxis erfüllt und wo noch nachgebessert werden muss. Zielsetzung der Studie war die maßgebliche Reduzierung des Energieeinsatzes aller relevanten Anwendungen bei mindestens gleichem Komfort. Der höhere Komfortbedarf der Patienten und Hygieneanforderungen waren priorisierte Vorgaben. Auf der Website des Passivhausinstituts steht die Grundlagenstudie kostenfrei zur Verfügung.

Zwei bis sechs Prozent Mehrkosten für den Passivhausstandard

Das Pilotprojekt beweist: Passivhausstandards sind auch für ein Gebäude mit 78.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche machbar. Im Investitionsvolumen von rund 280 Mio. Euro schlugen sich die erforderlichen baulichen Besonderheiten mit zwei bis sechs Prozent nieder. Die ursprünglich veranschlagten sechs Prozent hätten sich zum heutigen Stand relativiert, weil zahlreiche Maßnahmen, die bei Baubeginn im Jahr 2016 noch freiwillig waren, mittlerweile ohnehin gesetzlich vorgegeben sind. Das erkläre die große Variable bei dieser Zahl, so Mertens. Das Klinikum (über)erfüllt alle fünf Merkmale eines Passivhauses:

  • Wärmedämmung,
  • Eliminierung von Wärme- bzw. Kältebrücken,
  • Luftdichtheit,
  • Kontrollierte Belüftung und
  • dichte Fenster.

70 Lüftungsanlagen – alle mit Wärmerückgewinnung - sorgen in dem auch in gestalterischer Hinsicht ansprechenden Haus für Frischluft „und verhindern damit gleichzeitig den typischen Krankenhausgeruch - eine positive Nebenwirkung, die sich mit der kontrollierten Belüftung in allen in Passivhausbauweise errichteten Gesundheitsbauten einstellt“, so Mertens.  Die dreifach verglasten Fenster sind aus Holz, was neben der gewünschten Dichtigkeit auch einen sehr wohnlichen Effekt erzeugt. Um die Lüftung zu entlasten, wurden die Patientenzimmer mit kernaktivierten Betondecken gestaltet, die winters wie sommers energiesparend für eine angenehme Temperierung sorgen. In den Funktionsbereichen erfüllen abgehängte Kühldecken den gleichen Effekt.

Drei Gas-Brennwertkessel versorgen das Gebäude mit Wärme. „Diese Technologie war zum Zeitpunkt der Planung noch Stand der Technik. Heute würde man diese Aufgabe vermutlich mit Wärmepumpen lösen“, räumt Mertens ein. „Der Primärenergiebedarf des Klinikums wird nach den Simulationen bei 150 kW/qm/a liegen. Ein vergleichbares nach aktuellem GEG-Standard errichtetes Gebäude läge bei 250 kW/qm/a, das ursprüngliche Bestandsgebäude lag bei über 500 kW/qm/a.“

Eine Brennstoffzelle sorgt für Brandschutz im Rechenzentrum

Eine weitere Besonderheit in Frankfurt-Höchst ist eine (noch) mit Erdgas betriebene Brennstoffzelle, ausgelegt für 100 KW elektrisch und 95 kW thermisch. Die sauerstoffarme Abluft aus der Brennstoffzelle wird in den Serverraum eingeleitet und schützt quasi als Abfallprodukt das Herz der Krankenhaus-IT zuverlässig vor Bränden. Die Mitarbeiter agieren hier unter Bedingungen wie auf Deutschlands höchstem Berg – der Zugspitze.

Medizinprodukte sind ein Hemmschuh beim Energiesparen

An Grenzen stieß das übergeordnete Ziel der Energieeffizienz bei der Medizintechnik. Energieeffizienz scheint in dieser Sparte noch kaum eine Rolle zu spielen. „So war das Auswahlkriterium „Energieeffizienz“ beim Produktvergleich nicht auswertbar und energetische Verbesserungen an den Geräten durch die langen Zulassungsverfahren nicht umsetzbar.“

Jetzt wird in Frankfurt erst mal viel gemessen, um zu ermitteln, inwieweit sich die errechnete Theorie mit der Praxis deckt. Wo erforderlich und möglich, wird nachgeregelt. Im zweiten Bauabschnitt möchte man dann noch besser machen, was man besser machen kann.

Maria Thalmayr

Die Präsentation kann beim Referenten angefordert werden.
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Bildquelle: Peter Sondermann, City-Luftbilder, Wuppertal