Technische Performance – Wir brauchen einen Plan

Was ist der Energieträger der Zukunft? Wie kann Technik dem Fachkräftemangel begegnen? Wie wird Fortschritt nachhaltig? Dubravka Maljevic, Cord Brüning und Horst Träger sprechen im Vorfeld der 5.Fachmesse Krankenhaus Technologie mit Fachtagung Technik im Gesundheitswesen am 28. und 29. September in Gelsenkirchen über die zentralen Herausforderungen der Technik im Gesundheitswesen.

In welchen Bereichen der Gesundheitstechnik sehen Sie die größte Diskrepanz zwischen dem Krankenhaus, wie es ist, und dem Krankenhaus, wie es sein müsste und könnte?

Horst Träger: Diese Frage ist mit zwei Schlagworten schnell beantwortet. Dem Krankenhaus, wie es ist, mangelt es an Geld und Fachkräften. Wobei das eine das andere bedingt und beides erforderlich wäre für eine optimale technische Performance.

Cord Brüning: Eklatante Diskrepanzen zwischen Soll und Ist liegen für mich - abgesehen vom allseits bekannten Innovationsstau – ferner im niedrigen Digitalisierungsgrad und in einer damit einhergehenden fehlenden Transparenz über das Geschehen in der Technik. Die erforderlichen Werkzeuge wären da. Wir setzen sie jedoch zu zögerlich ein. Außerdem müssen wir uns der Frage stellen: Wie muss Führung heute sein, um im Kampf um qualifizierte Mitarbeiter mit der Industrie mithalten zu können. Ich komme immer wieder zu jungen Technischen Leitern, die das hervorragend hinkriegen. Es geht also. Da müssen wir dazu lernen.

Dubravka Maljevic: Die Investition in gutes und gut ausgebildetes Personal ist für eine nachhaltige Entwicklung unabdingbar. In Hinblick auf die Ziele der einzelnen Kliniken kann man beobachten, dass einerseits die Qualität der Versorgung gesteigert werden soll und gleichzeitig die Kosten für die Betriebsabläufe minimiert werden sollen. Die (Medizin)Technik zwingt das, Betriebsabläufe und Instandhaltungsroutinen zu hinterfragen. Untersuchungen und praktische Erfahrungen zeigen zum Beispiel, dass eine evidenzbasierte Instandhaltung effizienter und ökonomischer sein kann als eine strikte Einhaltung der Herstellerempfehlungen. Hier brauchen wir neue Strategien. Nachhaltigkeit kann schließlich auch durch guten Service entstehen, indem der Lebenszyklus von Maschinen und Anlagen durch Wartung und Instandhaltung verlängert wird. Gleichzeitig müssen wir bei der Erbringung unserer Services nachhaltig agieren.

Wo sehen Sie in der Gesundheitstechnik den größten Handlungsbedarf und was wären Ihrer Meinung nach wichtige und effiziente Maßnahmen in Richtung einer optimalen technischen Performance?

Cord Brüning: Großen Handlungsbedarf sehe ich wie meine Vorredner beim Fachkräftemangel. Wir müssen unsere Prozesse darauf abstellen, von althergebrachten Vorgehensweisen wegkommen und zu mehr Standards finden. Darüber hinaus wünsche ich mir mehr Nähe zum Krankenhausmanagement. Die Technischen Abteilungen bündeln ein immenses Wissen über ihre Krankenhäuser, das viele Betreiber bei der Weiterentwicklung ihrer Unternehmen schlicht außer Acht lassen. Es gäbe in allen Krankenhäusern viel zu tun. In vielen Häusern fehlen aber klar kommunizierte Strategien und Konzepte für eine langfristige Entwicklung. Das ist in meinen Augen ein echtes Dilemma. Wie soll so – anstelle kleinteiliger Einzelschritte - nachhaltiger Fortschritt gelingen?

Horst Träger: Klar, Digitalisierung, Big Data und Künstliche Intelligenz müssen in der Gesundheitstechnik Einzug halten. Dabei müssen wir uns aber auch ehrlich fragen: Was brauchen die Leute wirklich, und wer kann die neuen Systeme beherrschen? Wir brauchen sinnvolle Technik und müssen deren Anwender mitnehmen. Weiter benötigen wir angesichts des Fachkräftemangels und einer abnehmenden Fachlichkeit wie von meinen Vorrednern gefordert neue Service-Strategien und werden diesbezüglich auch so mache Make-or-Buy-Entscheidung hinterfragen und uns in vielen spezialisierten Bereichen externe Unterstützung holen müssen.

Dubravka Maljevic: (Medizin)Technik soll in erster Linie dem Patienten oder dem Personal helfen und Menschenleben retten. Aber auch wenn die Langlebigkeit eines Produktes oder sein ökologischer Fußabdruck bislang nicht im Vordergrund standen, überdenken immer mehr Unternehmen ihre Materialauswahl, die Herstellungsprozesse und die Entsorgung ihrer Produkte. Sämtliche Branchen haben erkannt, dass ein nachhaltiges Wirtschaften in Zukunft unerlässlich ist. Kunden und Investoren verlangen es ebenso wie Mitarbeiter, Gesellschaft und Politik. Die Themen optimale technische Performance und Nachhaltigkeit werden künftig nicht mehr zu trennen sein.

Hoch gesteckte Klimaziele und exorbitante Energiepreise verleihen dem Thema Nachhaltigkeit eine neue Relevanz. Wo steht hier die Gesundheitstechnik? Was müsste sich ändern, dass Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Krankenhaus nicht immer wieder ins Hintertreffen geraten? Und schließlich: Wie wird Fortschritt nachhaltig?

Cord Brüning: Im Grunde kann ich mich hier nur wiederholen: Annähernd 100 Prozent der Krankenhäuser haben keine Nachhaltigkeitsstrategie. Mit ganzheitlichen Energiekonzepten könnte man im Krankenhaus viel Energie sparen. Wir sind jedoch meilenweit entfernt von Smart Buildings und haben es schlicht versäumt, über Alternativen für fossile Brennstoffe und konventionell erzeugten Strom nachzudenken. Lange waren die großzügig subventionieren BHKWs der Weisheit letzter Schluss und jetzt?

Horst Träger: Bei diesem Thema werden wir uns in Zukunft mit sehr grundlegenden Fragen auseinandersetzen müssen. So werde ich in letzter Zeit sehr häufig nach dem optimalen Energieträger zum Heizen gefragt. Gibt es Alternativen zum Gas? Was ist die richtige Wahl bei Ersatzinvestitionen? Dabei helfen uns keine visionären Lösungen. Entscheidend ist vielmehr: Was ist schon jetzt verfügbar und was sollen wir ausschreiben? Wir brauchen machbare Energiestrategien und -lösungen. Ein weiteres Thema, das mich schon seit längerer Zeit umtreibt, ist die Tatsache, dass der Energieverbrauch bei vielen im Krankenhaus zum Einsatz kommenden Technologien keine Rolle zu spielen scheint. Folgekosten generell sind bei der Beschaffung kein Bewertungskriterium. Was zählt, ist einzig die Leistung des Gerätes, die jedoch oft bei Weitem nicht ausgeschöpft wird. Zu Hause checken wir den Energieverbrauch jedes Wasserkochers und im Krankenhaus ist er bei Geräten für 1,5, Millionen Euro und mehr egal. Fragen wie diese möchte ich in Gelsenkirchen mit unseren Industriepartnern erörtern. Zum Beispiel auch, welche Möglichkeiten zur Wärmerückgewinnung ihre Geräte eröffnen.

Dubravka Maljevic: Zuletzt werden wir uns aber auch fragen müssen, wie wir in unserem Agieren als Techniker nachhaltig werden können: Eine hohe Fehlerbehebungsquote beim ersten Kundenbesuch ist das Ziel jedes Serviceunternehmens. Jede eingesparte Zweitanfahrt verringert den CO2-Ausstoß und senkt die Energiekosten. Ein Trend, der sich durch die Corona-Pandemie verstärkt hat, ist der Remote oder auch Self Service. Tools und Technologien, mit denen Kunden befähigt werden, ihre Geräte und Anlagen selbst zu warten und zu reparieren, oder die Kollegen Unterstützung bei komplexeren Problemen bieten, sind in einigen Branchen schon im täglichen Einsatz. In der Instandhaltung und im technischen Service erweitern Augmented Reality-Anwendungen die Realität des Technikers oder Instandhalters durch hilfreiche Informationen, die über eine Datenbrille oder ein Smartphone angezeigt werden. Zusätzlich kann noch ein Experte per Video den Kollegen oder Kunden anleiten. Diese Tools lassen sich direkt aus einer mobilen App für die Instandhaltung oder den Service aufrufen und sind damit für den Techniker oder Instandhalter überall auf seinem Smartphone oder Tablet einfach und schnell nutzbar. Der Ersatz von papierbasierten Dokumenten durch eine Software zur Auftragsplanung und durch eine mobile App für die Auftragsabwicklung leistet einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der CO2-Bilanz. Auftragsunterlagen, Formulare, Serviceberichte und mehr sorgen für riesige Papierberge, für deren Herstellung ein enormer Ressourcenaufwand geleistet werden muss. Bei den BG Kliniken testen wir einige dieser neuen Methoden und werden damit, wie von Herrn Brüning eingangs gefordert, auch in der Technik digitaler, transparenter und nachhaltiger.

Warum ist es wichtig, dass TechnikerInnen ihre Interessen bündeln, wo sehen Sie die größten Synergieeffekte?

Dubravka Maljevic: In der Conona Pandemie haben wir gesehen, wie gut ausgebildete, leistungsstarke Mitarbeiter alles gegeben und kreative Lösungen umgesetzt haben. Dabei haben sie interdisziplinär und fachübergreifend gearbeitet. Den kommenden Herausforderungen können wir nur gemeinsam begegnen. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens und der Wandel in Richtung Klimaneutralität sind große Aufgaben, die nur mit vereinten Kräften gelingen können. Dabei gilt es, über den Tellerrand zu schauen und im Sinne einer besseren Patientenversorgung die in unserer Verantwortung stehenden Krankenhäuser in die Zukunft zu führen.

Horst Träger: Technikthemen klar der Medizintechnik, der Betriebstechnik oder der IT zuzuordnen, ist schon lagen nicht mehr möglich. Die Techniksparten fließen immer mehr ineinander. Vor diesem Hintergrund ist es überfällig, dass wir uns gemeinsam fortbilden und austauschen. Die gemeinsame Ausrichtung der 5. Fachmesse Krankenhaus Technologie mit Fachtagung Technik im Gesundheitswesen durch die FKT, die WGKT und den fbmt und eine enge Kooperation dieser Verbände spiegeln wider, was im Krankenhaus längst Alltag ist oder sein sollte.

Cord Brüning: Synergieeffekte in der Zusammenarbeit sehe ich jenseits der gemeinsamen Bewältigung technischer Aufgaben für das Krankenhaus bei der Lösung von Organisationspflichten. „Wie können wir Fortschritt für uns bestmöglich nutzen?“ Antworten auf diese Frage können wir gemeinsam finden. Das gilt für die Umsetzung von Vorschriften ebenso wie -untrennbar damit verbunden - für neue Methoden der Instandhaltung, des Projektmanagements und technisch-wirtschaftliche Neuerungen. Themen wie diese spielen daher auf der diesjährigen Tagung eine große Rolle.

Mit welchem Ziel reisen Sie nach Gelsenkirchen?

Dubravka Malejvic: Mit dem Ziel eine bestmögliche Zeit zu haben, viele interessante Menschen zu treffen, viele spannende Gespräche über die hier angesprochenen Themen zu führen und neue Wege zu gehen.

Horst Träger: In erster Linie möchte ich mich mit der Industrie über ganz konkrete Fragestellungen austauschen und neue Lösungen entdecken. Besonders freue ich mich außerdem auf Fachsimpeleien mit Kollegen und nicht zuletzt unser mit viel Herzblut zusammengestelltes Vortragsprogramm. Mehr als 20 Workshops lassen außerdem viele handfeste Tipps für den technischen Alltag erwarten.

Cord Brüning: Ich freue mich auf vielfältigen Input und Impulse für Innovationen, aber auch auf den Austausch von Sorgen und Nöten, der bei solchen Veranstaltungen einfach dazu gehört. Wünschen würde ich mir, dass noch mehr Teilnehmer aus dem Krankenhaus diese Möglichkeiten nutzen. Wenn sich diese erste gemeinsame Tagung von FKT, WGKT und fbmt als Auftakt für einen alle technische Sparten im Krankenhaus vernetzende Technikergipfel erweist, würde ein lang gehegter Wunsch von uns allen Wirklichkeit.

Das Interview führte Maria Thalmayr

 

 

Weil Gesundheit die beste Technik braucht

Unter dem Leitthema „Nachhaltiger Fortschritt – weil Gesundheit die beste Technik braucht“ zeigt die 5. Fachmesse Krankenhaus Technologie mit Fachtagung Technik im Gesundheitswesen am 28. und 29. September in Gelsenkirchen Lösungen für die zentralen Herausforderungen der Gesundheitstechnik. Zum ersten Mal seit ihrem Bestehen wird die Veranstaltung von der Fachvereinigung Krankenhaustechnik e.V. (FKT), der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Krankenhaustechnik e.V. (WGKT) und dem Fachverband Biomedizinische Technik e.V. (fbmt) gemeinsam ausgerichtet.

Mehr Informationen finden Sie unter www.fachmesse-krankenhaus-technologie.de

Dubravka Maljevic ist Präsidentin des Fachverbandes Biomedizinische Technik e.V. (fbmt) und Leiterin des Bereichs Medizintechnik bei den BG-Kliniken

Horst Träger ist Präsident der Fachvereinigung Krankenhaustechnik e.V. und Berater für alle Fragen der Gesundheitstechnik.

Cord Brüning ist Präsident der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Krankenhaustechnik e.V. (WGKT) und Geschäftsführer bei CoSolvia