Techniker brauchen Mut zur Lücke: Von der Trinkwasserhygiene bis zu Blackout-Vorsorge

„Was die Politik an regulativen und sonstigen Schnellschüssen herausbringt, hilft im technischen Krankenhausalltag nicht. Infrastruktur braucht eine solide Planung und kostet Geld. Teurer ist es auf lange Sicht nur, die Infrastruktur zu vernachlässigen.“

Mit diesem kritischen Statement blickt Thomas Woldt auf eine gut besuchte Fortbildungsveranstaltung der östlichen Regionalgruppen in Berlin zurück. Vorträge wie Diskussionen verdeutlichten hier vor allem eins: Bei allem Einsatz und aller Akribie brauchen Technikmanager im Krankenhaus immer wieder auch Mut zur Lücke. Eine spontane Umfrage unter den Teilnehmern ergab beispielsweise: Keiner der 65 Teilnehmer führt regelmäßige Räumungsübungen durch. „So etwas kriegt man im auf Kante genähten Krankenhausbetrieb einfach nicht unter“, sagt der Leiter der Regionalgruppe Mitteldeutschland und Leiter der Abteilung Gebäudetechnik im GB Bau und Technik am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden.

Dauerbrenner der Krankenhaustechnik

Mit den Schwerpunkten Trinkwasserhygiene, Brandschutz, erdverbaute Technikzentralen sowie sichere Stromversorgung im OP widmete sich die Veranstaltung Dauerbrennern der Krankenhaustechnik. Gemeinsam ist diesen Themen, dass zwischen der, auf ein ausuferndes Regelwerk basierenden Theorie und der Praxis eine mehr oder minder große Lücke klafft, die zu schließen Geld kosten und eine Personaldecke in der technischen Abteilung erfordern würde, die kein Krankenhaus haben. Dazu ein weiteres Beispiel:

„Um den Vorschriften der Trinkwasserverordnung vollumfänglich gerecht zu werden, brauchen wir in Zukunft getrennte Leitungsstränge für Kalt- und Warmwasser. Damit kommen auf die Krankenhäuser intensive bauliche Maßnahmen und entsprechende Ausgaben zu.“ Ging es in der Vergangenheit mehr darum, dass das Warmwasser nicht unter die kritische Temperatur von 55 Grad sinkt, ist mittlerweile eher Kaltwasser das Problem. Lange Stagnationszeiten, aufgrund veränderter Nutzungsbedingungen auf den Stationen, hohe Wärmelasten im Gebäude und der Klimawandel machen es schwer, die geforderten Höchstwerte von ca. 20 Grad für das Kaltwasser einzuhalten. „Kühlen und Spülen erzeugen bei der Erreichung dieser Sollvorgabe auf Dauer eine nicht vertretbare Ressourcenverschwendung. Da werden wir an baulichen Maßnahmen nicht vorbeikommen“, prognostiziert Woldt.

Das Regelwerk lückenlos umzusetzen, klappt nicht

Wirkprinzip-Prüfung und viele andere Vorgaben des Brandschutzes sind der Technischen Leitern hinlänglich bekannt. Eigentlich sollten Brände im Krankenhaus damit zuverlässig vermieden werden. Das gelingt nicht immer. Und so ist es eine wichtige Aufgabe der Technik, die Auswirkungen von Bränden so gering wie möglich zu halten und dabei mit viel Gleichgewichtssinn auf dem schmalen Grat zwischen (finanzieller) Machbarkeit und Normentreue zu balancieren. Selbes gilt für eine resiliente Versorgung von Krankenhäusern mit Strom. In der Vorbereitung auf einen Blackout gelte es viele Szenarien gedanklich vorwegzunehmen. Darunter auch die vorhersehbare Schwierigkeit, dass bei einem Blackout nicht nur Kranke Hilfe im Krankenhaus suchen werden, sondern auch viele andere, einfach weil es hier noch Strom gibt. Bei der Versorgung für den Krankenhausbetrieb unerlässlicher Anlagen sollten Systeme der Wasserver- und -entsorgung, die Speisenversorgung, die Sterilgut-Versorgung und andere für den Betrieb eines Krankenhauses wichtige Bereiche nicht vergessen werden. Mut zur Lücke könnte hier als Schuss nach hinten losgehen. Und doch seien viele Kliniken vermutlich nur unzureichenden auf einen längeren Ausfall der öffentlichen Stromversorgung vorbereitet, mutmaßt Woldt. 

Technik vorfertigen

Auf großes Interesse stieß bei den Teilnehmern ein neues Prinzip, bei dem Technikzentralen vorgefertigt und dann innerhalb von nur drei bis vier Tagen in den Kliniken implementiert werden. Woldt kennt dieses Prinzip noch aus DDR-Zeiten und begrüßt dessen Revival: „Wir haben im Krankenhaus immer weniger gut qualifiziertes technisches Personal, der Nachwuchs fehlt. Damit müssen wir zunehmend Aufgaben an die Industrie auslagern. Daran führt kein Weg vorbei.“

Im Anschluss an die hochinteressante Tagung im ehemaligen Rudolf-Virchow-Hörsaal auf dem Campus Mitte der Charité hatten die Teilnehmer die Möglichkeit an einer Führung über den Campus teilzunehmen und Erfahrungen auszutauschen. 

Maria Thalmayr