Risikomanagement: Resilienz gibt es nicht zum Nulltarif

Vor der aktuellen angespannten politischen Situation gewinnen Kritikalität, Vulnerabilität und Resilienz eine völlig neue Dimension. Während jedoch eine gut funktionierende krisensichere Technik für ein leistungsstarkes Gesundheitswesen immer unverzichtbarer wird, mangelt es vielerorts an Bewusstsein für die Bedeutung von Technik.

Kritikalität, Vulnerabilität und Resilienz sind Themen, mit denen sich alle kritischen Infrastrukturen auseinandersetzen müssen. Jede Berufsgruppe und auch alle technischen Sparten nähern sich der Thematik aus anderen Blickwinkeln und mit unterschiedlichen Dringlichkeiten, die letztendlich in ein schlüssiges Ganzes münden sollten.

Besser kooperieren

Durchgängige Sicherheitskonzepte erfordern die Bereitschaft, über den Tellerrand zu schauen und die Bedürfnisse sowie den Zugang der jeweils anderen zu dieser umfassenden Herausforderung zu verstehen. Das werde umso wichtiger, je enger IT, Medizintechnik und Betriebstechnik mit der rasch voranschreitenden Digitalisierung zusammenwachsen. Digitaler Fortschritt schaffe neue Schnittstellen und nicht zuletzt dadurch auch neue Risiken zwischen (Medizin-)Technik und IT, mahnt Jens Relke, Bereichsleiter Technik und IT in der Klinikum Hanau GmbH. Längst seien moderne Technologien nicht mehr klar der einen oder anderen Sparte zuzuordnen. Telekommunikation oder Gebäudeautomation zum Beispiel seien ebenso technisches wie IT-Thema. Gegenseitiges Verständnis aufzubauen und zu wissen, wann wer mit wem über entsprechende Sicherheitskonzepte reden muss, sei deshalb unverzichtbar für auch in Zukunft nahtlose Sicherheitsketten. „Im Augenblick hinken die Kooperations- und Kommunikationsstrukturen in den Krankenhäusern dem Fortschritt hinterher. Während Technologien zunehmend verschmelzen, grenzen sich Menschen mit unterschiedlichen Blickwinkeln immer noch voneinander ab. Doch: Kein Betriebstechniker kommt heute noch ohne IT aus, umgekehrt braucht Informationstechnologie Strom und physikalische Netze. Gemeinsam eine optimale technische Performance zu schaffen, sollte Ziel bei allen Maßnahmen sein“, so Relke.

Schwierige Rahmenbedingungen verschärfen die Risiken

„Vor der aktuellen angespannten politischen Situation gewinnen Kritikalität, Vulnerabilität und Resilienz gleichzeitig eine völlig neue Dimension“, ergänzt der langjährige Technische Leiter der Berliner Charité Thomas Flügel. Während jedoch eine gut funktionierende krisensichere Technik für ein leistungsstarkes, zunehmend von Technik abhängiges Gesundheitswesen immer unverzichtbarer werde, fehle in vielen Häusern Bewusstsein für die Bedeutung der Technik. „Auf der einen Seite steht der Wunsch, neueste Technologien schnell und effizient in unsere Häuser zu bringen und diese sicher zu betreiben. Wir sollen besser heute als morgen digital und natürlich auch klimaneutral werden. Unsere Kliniken müssen Wetterextremen ebenso standhalten wie Hackerangriffen und auch bei einem Blackout zuverlässig weiterfunktionieren, sprich in allen denkbaren Lagen medizinische Spitzenleistung ermöglichen. Auf der anderen Seite mangelt es an Bereitschaft, in technische Infrastruktur hinter der kritischen Infrastruktur zu investieren“, moniert FKT-Präsident Horst Träger. Mitunter werde die Bedeutung von Technik heute derart verkannt, dass die Position des Technikmanagers nach seinem Ausscheiden gar nicht mehr oder nicht mit ausreichend qualifiziertem Personal besetzt werde. Im Grunde sei das ein Schritt zurück ins Mittelalter der Krankenhaustechnik. Ein Schritt, der für die Resilienz und Leistungsstärke des Gesundheitswesens fatale Folgen haben könnte, mahnt Träger.

Regulatorische Enthaltsamkeit

Bei alledem mahnt Christoph Franzen, Technischer Leiter der Alexianer Krefeld GmbH und Schatzmeister der FKT, zu mehr regulatorischer Enthaltsamkeit. Immer neue Gesetze und Regeln zum Thema Sicherheit brächten selten ein echtes Plus an Sicherheit, sondern oft nur mehr Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand und unnötige Kosten. Das Sicherheitsniveau sei in allen Krankenhäusern hoch. Gesunder Menschenverstand nutze da in der Regel mehr als immer neue Ergüsse aus Berlin.

Maria Thalmayr