Konfuses Energierecht – „Da reiß ich doch lieber die PV vom DACH!“

Förderungen für KWK- und Erneuerbare-Energieerzeugungsanlagen fallen weg, die Vergütungen schrumpfen. Der gigantische Aufwand, der Eigenerzeugern abverlangt wird, um an Dritte abgegebenen vom selbstverbrauchten Strom aus Eigenerzeugungsanlagen abzugrenzen, macht PV und KWK-Anlagen zusätzlich uninteressant. So geht Energiewende ganz klar nicht.

Klimaneutralität bis 2050, oder besser noch so schnell wie möglich – über das „Was“ in der Energiepolitik herrscht breiter Konsens. Ganz anders sieht es beim „Wie“ aus. Lobbyismus und Interessen einzelner torpedieren seit Jahren die Anfangserfolge beim für die Energiewende unverzichtbaren schnellen Ausbau von dezentralen Anlagen für die Erzeugung Erneuerbarer Energie. „Dabei sollte allen klar sein: Egal ob klimafreundliche E-Mobilität, Wärmepumpen oder grüner Wasserstoff: Ausgangspunkt ist immer der aus Erneuerbaren Energien (EE) gewonnene Strom“, erklärt der Präsident der Fachvereinigung Krankenhaustechnik e.V. (FKT), Horst Träger.

Eine Verwaltungschimäre: Die EEG-Umlage

Eine besondere Blüte deutschen Energierechts ist die längst zum Politikum gewordene EEG-Umlage. Mit dieser Pauschale werden die Kosten für die Förderung der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien auf alle Stromverbraucher verteilt. In diesem Jahr liegt die EEG-Umlage, dank eines Bundeszuschusses in Höhe von 10,8 Milliarden Euro bei nur noch 6,50 ct/KWh (6,756 ct/kWh waren es 2020). Ohne diesen steuerfinanzierten Zuschuss wäre die EEG-Umlage in diesem Jahr auf rund 9,5 ct/kWh angestiegen. Der coronabedingt stark gesunkene Stromverbrauch stand in den zurückliegenden Monaten einem hohen Stromertrag aus Erneuerbaren Energien gegenüber, weshalb der Anstieg der EEG-Umlage unverhältnismäßig stark ausgefallen wäre. Im Sinne eines sozialverträglichen und fairen Ausbaus der Nutzung Erneuerbarer Energien führt eine möglichst verursachergerechte Verteilung dieser Anschubhilfen für EE jedoch zu immer abenteuerlicheren Forderungen:

Eigenerzeuger, die ihren Strom selbst verbrauchen, sind von der EEG-Umlage ganz oder teilweise befreit. Wenn Eigenerzeuger Dritte mit ihrem Strom beliefern, müssen sie für diesen abgegebenen Strom jedoch grundsätzlich die volle EEG-Umlage bezahlen. Auf den ersten Blick klingt diese Regelung ebenso fair wie leicht umsetzbar. In der Praxis bedeutet sie für Krankenhäuser, Altenheime und Pflegeeinrichtungen, die Stromerzeugungsanlagen betreiben, jedoch: Sie müssen auf die Viertelstunde genau den messtechnischen Nachweis dafür erbringen, wieviel Strom sie jeweils selbst verbraucht oder z.B. an den Friseur im Haus, den Kioskbetreiber, die ausgegründete Forschungsgruppe um Professor XY, die Reinigungsfirma, den Blumenladen, den Belegarzt, den Getränkeautomaten, die Ladestation für die E-Autos von Besuchern und andere abgeben haben. Der Gesetzgeber fordert die „Zeitgleichheit von Eigenerzeugung und Eigenverbrauch“. Noch absonderlicher ist es in Altenheimen und Pflegeeinrichtungen. Da gelten sogar die Bewohner als „Dritte“, an die Strom geleistet wird, auch wenn ihnen der in den Zimmern verbrauchte Strom gar nicht gesondert in Rechnung gestellt wird.

Der mit dieser Regelung einhergehende Verwaltungsaufwand sei so hoch, das Regelwerk rund um die Abgrenzung des von Dritten verbrauchten Stroms gleichzeitig so ungenau, dass ein mittleres Krankenhaus schnell rund 20.000 Euro an juristischer Beratung und gut und gerne nochmal 100.000 Euro für die erforderliche Messetechnik investieren muss, um diese so banal klingende Forderung zu erfüllen, moniert der Leiter des FKT-Forums Klinikenergie und Fachanwalt für Energierecht Sebastian Igel, vom personellen Aufwand ganz zu schweigen. „Einige Krankenhausbetreiber sind deshalb schon so weit, dass sie lieber die volle EEG-Umlage auch für den selbst verbrauchten Strom bezahlen, um sich so den mit der Abgrenzung des Eigen- und Fremdverbrauchs einhergehenden Aufwand zu sparen.“

Finger weg von PV und Co.?

„Das aktuelle Energierecht wird uns Techniker zunehmend Abstand nehmen lassen von PV- oder KWK-Anlagen“, prophezeit Träger. „Der juristische Rahmen ist mittlerweile derart kompliziert, der administrative Aufwand rund um Eigenerzeugungsanlagen derart hoch, dass ich extra Personal bräuchte, um das alles rechtskonform hinzukriegen. Fakt ist jedoch, dass die Technikabteilungen in deutschen Krankenhäusern personell immer dünner besetzt sind. Mit den wenigen Leuten, die wir haben, müssen wir den Klinikbetrieb am Laufen halten und nebenbei eine Pandemie managen. Da können und wollen wir uns nicht stundenlang mit der energie-administrativen Verwaltung unserer Energieerzeugungsanlagen verlustieren. Viele von uns sind mittlerweile so genervt und frustriert, dass sie ihre PV am liebsten von Dach reißen und ihre Blockheizkraftwerke stilllegen würden, nur um endlich Ruhe zu haben von den immer abstruseren Forderungen aus Berlin.“

KWK wird doppelt bestraft

Die für die Energiewende so wichtige Kraft-Wärme-Kopplung sei in dem ganzen Geschehen nochmal ein Thema für sich, führt Igel weiter aus. Wer sein Blockheizkraftwerk (BHKW) mit mehr als 1 MW elektrischer Leistung in technisch sinnvoller und wirtschaftlich erforderlicher Weise fährt (> 4.000 Vollbenutzungsstunden), wird ab 3.500 Vollbenutzungsstunden durch eine zum 01.01.2018 eingeführte, zum 01.06.2019 aufgehobene und zum 01.01.2021 wieder mit Wirkung zum 01.01.2018 in Kraft gesetzte Regelung zusätzlich zur Kasse gebeten: Nur bis zu einer Grenze von 3500 Vollbetriebsstunden (VBh) profitieren diese Betreiber von einer 40- prozentigen EEG-Umlage. Von 3500 VBh bis 5000 VBh bezahlen sie 100 Prozent EEG-Umlage. Alles, was die 3500 VBh überschreitet, tilgt außerdem als Rückspiegelung den Bonus der EEG-Umlage-reduzierten Vollbetriebsstunden bis 3500. „Wer meint, sich bei der vorangestellten Chronologie und der Doppelbestrafung von KWK-Strom verlesen zu haben, sei hinsichtlich seiner Augen beruhigt und gleichzeitig entsetzt. Dermaßen chaotisch geht es im EEG zu“, so Igel.

Das Papier nicht wert

Grund für den ganzen Aufstand ist der Wunsch, die Energiewende sozialverträglich zu gestalten. Doch wohin hat uns das geführt? Volkswirtschaftlich betrachtet steht das komplizierte Abgrenzungsprozedere der EEG-Umlage von an Dritte abgegebenen Strom aus Eigenerzeugungsanlagen und die mehr als vertrackte Abrechnung der Energieerzeugung aus KWK-Anlagen in keinem sinnvollen Verhältnis zum volkswirtschaftlichen Nutzen. Letztlich wird hier mit enormen Aufwand Geld hin und her geschaufelt, das  zumindest im Gesundheitswesen am Ende ohnehin die Allgemeinheit berappt. Dass wir obendrein Abgeordnete und Heerscharen von Beratern bezahlen, die sich das alles ausdenken, macht das Ganze noch ineffektiver und ruft auch gleich den nächsten Kritikpunkt auf den Plan:

„Die Gesetze, mit denen wir augenblicklich konfrontiert werden, sind immer allgemeiner gehalten und handwerklich schlecht gemacht. Selbst Juristen falle es schwer, den vielfach im Nichts endenden Satzungetümen aus der Gesetzesschmiede in Berlin einen Sinn zu entlocken. Vieles sei darüber hinaus so unbestimmt formuliert, dass die Umsetzung jüngerer EEG-Regelungsinhalte kaum noch sicher möglich sei. Nicht erst im Fall der Abgrenzung des an Dritte abgegebenen Stroms aus Eigenerzeugungsanlagen hat es sich etabliert, dass die Bundesnetzagentur (BNetzA) ihr Verständnis der schwammigen gesetzlichen Vorgaben in bis zu 100 Seiten umfassenden „Hinweisblättern“ veröffentlicht. Faktisch führt dies dazu, dass die BNetzA, als Teil der Exekutive, die nicht gemachten Hausaufgaben der Legislative übernimmt. Natürlich, ohne es zu versäumen, darauf hinzuweisen, dass es sich bei ihren Ausführungen lediglich um die nicht verbindliche Sichtweise der BNetzA handle. Aufgrund der ständigen Überarbeitungen des EEG, bei denen der Gesetzgeber auch nicht vor gravierenden Paradigmenwechseln zurückschreckt, ergehen höchstrichterliche Entscheidungen zu Streitfragen in der Regel erst dann, wenn das EEG schon einige Evolutionsstufen weiter ist. Auch aus diesem Grund erlangten die außerhalb der regulären Gesetzgebungsverfahren verfassten „Hinweisblätter“ der BNetzA die Bedeutung von Verordnungen oder Gesetzen. Das ist Gesetzgebung durch die Hintertür einer Bundesbehörde“, kritisiert Igel.

Energiewende geht anders

„Auch und gerade in den energieintensiven Krankenhäusern könnten und müssten wir mit EE-Anlagen einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dazu bedarf es eines (finanziellen) Anreizsystems und nicht immer neue Knüppel, die uns zwischen die Beine geworfen werden“, fordert Träger. „Der Zubau von Windenergie- und Photovoltaikanlagen muss deutlich schneller erfolgen. Besonders kritisch ist bei dieser Zielsetzung neben dem hohen Verwaltungsaufwand zu bewerten, dass die Absenkung der EEG-Vergütung deutlich stärker ausfällt als die Kostensenkung. Viele Anlagen sind damit an der Grenze zur Wirtschaftlichkeit. Die von der Regierung beschlossenen Ausbaumengen für Wind- und Solarenergie reichen vorne und hinten nicht, um die international vereinbarten Klimaschutzziele zu erfüllen. Anscheinend sind deutsche Politiker aber beratungsresistent. Denn: Die Warnungen einschlägiger Fachverbände vor dem neuen EEG verhallen bisher ungehört.“

Maria Thalmayr