Klimaschutz im Krankenhaus: Macht es nicht so megakompliziert!

„Macht endlich was, dass der Einsatz Erneuerbarer Energien nicht so megakompliziert ist!“ So lautet ein eindringlicher Appell der Fachvereinigung Krankenhaustechnik e.V. (FKT) an die neue Regierung. „Klimaschutzmaßnahmen sollten in Gesundheitseinrichtungen zu 100 Prozent gefördert werden. Um „klimaktiv“ sein zu können, brauchen wir außerdem mehr technisches Personal.“

„Wir wissen, dass unsere Häuser CO2-Einsparpotenzial bergen. Unter den jetzigen Rahmenbedingungen haben wir jedoch keine Chance, zu tun, was getan werden müsste. Augenblicklich fahren wir den Klimaschutz im Gesundheitswesen volle Möhre an die Wand. Das tut weh, denn wir werden uns von der kommenden Generation zu Recht fragen lassen müssen, warum wir nicht das Menschenmögliche getan haben, um den Temperaturanstieg zu begrenzen“, sagt Christoph Franzen, Technischer Leiter der Alexianer GmbH Krefeld und Schatzmeister im Bundesvorstand der Fachvereinigung Krankenhaustechnik e.V. (FKT). Er ist überzeugt: „Jeder Technikverantwortliche im Gesundheitswesen würde gerne mehr für den Klimaschutz tun.“

Verhinderungs- statt Klimapolitik

Doch: „Derzeit habe ich ganz gegen meine Überzeugung - wie viele meiner Kollegen übrigens - keinen Quadratmeter Photovoltaik (PV) auf dem Dach. Abgesehen davon, dass ich nicht wüsste, wann ich mich auch darum noch kümmern sollte, ist das Prozedere für die Abrechnung des von Selbsterzeugern an Dritte abgegebenen Stroms derart kompliziert, dass sich das schlicht keiner mehr antut. Vor sieben Jahren haben wir in unserer Klinik ein BHKW (Blockheizkraftwerk) in Betrieb genommen und gleich mal einen sechsstelligen Betrag EEG-Umlage nachgezahlt. Für Strom, den wir an die Bewohner unserer Seniorenheime abgegeben haben. Die gelten als Dritte, was man sich allein schon auf der Zunge zergehen lassen muss. Ihre Verbräuche müssen wir deshalb mit großem technischem Einsatz messen, abgrenzen und dafür - anders als für den eigenverbrauchten selbst erzeugten Strom - EEG-Umlage entrichten. Der Verwaltungsaufwand, der mit der hocheffizienten und wasserstofftauglichen Kraft-Wärme-Kopplung, mit Photovoltaik-, Windkraft-, Biogas- sowie anderen Erzeugungsanlagen regenerativer Energien einhergeht, ist nicht zuletzt dadurch derart ausgeartet, dass selbst Spezialisten nicht mehr durchblicken. Und noch ein Beispiel für die wenig zielführende deutsche Klimapolitik: Vor kurzem habe ich zwei E-Ladesäulen auf unserem Gelände installiert und mit einem - im wahrsten Sinnes des Wortes - irrsinnigen Papierkrieg zehn Prozent der Kosten gefördert bekommen. Wenn ich im Vorhinein gewusst hätte, wie viele Bedingungen an diese Förderung geknüpft sind, hätte ich lieber darauf verzichtet. Mit so was schreckt man doch alle potenziellen Klimaschützer ab.“

Zu wenig Personal für Nachhaltigkeit

FKT-Präsident Horst Träger pflichtet seinem Kollegen bei. Im Rahmen seiner Beratertätigkeit bei der LFC Solutions GmbH kommt er viel rum in Deutschland, spricht mit Technikmanagern landauf landab. Alle haben das Thema Nachhaltigkeit auf dem Schirm, während sie desolate Gebäude und vielfach veraltete technische Anlagen mit viel Kraft und zu wenig Personal am Laufen halten. Durch die zunehmende Komplexität des rechtlichen Rahmens nicht nur im Bereich Energie und die daraus resultierenden Aufgaben habe sich der Arbeitsaufwand in der Gesundheitstechnik seit der Jahrtausendwende vervielfacht – bei gleichbleibenden Personaldecken. Ein enormer Innovationsdruck vor allem auch durch die Megatrends Digitalisierung und Automatisierung, die mit neuen Technologien unverzüglich Eingang in die Krankenhäuser finden sollen, verschärfe die Situation zusätzlich. Viele Technikmanager sehen in ihren Häusern natürlich Möglichkeiten, wie sie mit BHKWs oder anderen Maßnahmen, die sich innerhalb kürzester Zeit amortisieren, Energie und Geld sparen könnten. Doch dann kommt das große Aber: „Wenn ich das vorschlage, hab ich am Ende noch mehr Arbeit am Hals. Ich komme ja jetzt schon nicht mehr rund“, ist eine Argumentation, die Träger vor diesem Hintergrund sehr oft zu hören bekommt.

„Wenn wir beim Thema Klimaschutz vorankommen wollen, brauchen wir Menschen, die sich explizit darum kümmern“, fordert daher FKT-Vize und Leiter des Baumanagements bei der FACT GmbH, Matthias Vahrson. „Mal eben nebenbei ist das nicht zu schaffen. Wir benötigen dafür zusätzliche Manpower. Wobei die Betonung auf dem Wörtchen „zusätzlich“ liegt“.“ Darüber hinaus müsse man sich fragen, wo das Thema Nachhaltigkeit am besten aufgehängt ist, ergänzt Träger Denn: Nur ein Drittel ihres CO2-Fußabdrucks können Kliniken selbst beeinflussen. Der Löwenanteil entsteht in Lieferketten. Dafür sei neben Bau und Technik in erster Linie der Einkauf zuständig. Eine eigene Stabsstelle Nachhaltigkeit, die wie in der Hamburger Universitätsklinik Eppendorf direkt der Geschäftsleitung zugeordnet ist, sei da sicher ein großer Schritt in die richtige Richtung. „Die Initiative KLIK Green zum Beispiel bildet dafür Klimamanager aus und unterstützt sie in ihrer Arbeit. Doch nur wenige Krankenhausbetreiber leisten sich den Luxus eines hauseigenen CO2-Sparers. Dabei trage sich diese Funktion in der Regel selbst: durch die Energieeinsparungen, die die Klimamanager erzielen“, ergänzt Vahrson.

„Unsere Klinikchefs haben im Moment aber nun mal ganz andere Sorgen als Energiekosten, die übrigens nur rund drei Prozent der Betriebsausgaben eines Krankenhauses ausmachen. Wir kämpfen fast alle ums Überleben. Ein weiteres Mal brachen in der vierten Welle der Corona-Pandemie alle elektiven Fälle weg. Wenn ich meinem Klinikchef da mit dem Thema Nachhaltigkeit komme, hat der doch nur ein erschöpftes Lächeln für mich übrig“, so Franzen. „Alle im Krankenhaus arbeiten im Moment am Limit.“

Weniger Zeitdruck bei öffentlicher Finanzierung

Grund dafür ist nicht zuletzt die aktuelle Finanzierungs- und Förderpolitik von Bund und Ländern: „Die Gelder aus dem Sonderinvestitionsprogramm in NRW zum Beispiel, die Mittel aus dem Krankenhauszukunftsfond und so manche andere müssen derartig kurzfristig möglichst nutzenstiftend investiert werden, dass wir gar nicht mehr wissen, wo wir zuerst anfangen sollen. Fast alle Technischen Leiter im Gesundheitswesen betreuen im Moment Millionenprojekte mal eben on top und wissen gar nicht mehr, wie sie das noch abbilden sollen. Wir wollen uns wohlgemerkt nicht darüber beklagen, dass endlich Geld fließt. Das Problem ist vielmehr die Geschwindigkeit, mit der die geförderten Maßnahmen umgesetzt werden müssen und die Tatsache, dass dafür ja kein zusätzliches Personal zur Verfügung steht“, erklären Franzen und Träger unisono. „Mit ein wenig mehr Zeit und Manpower könnten sicher durchdachtere Projekt entstehen und das Geld, das wir im Moment notgedrungen zum Teil auch für die Unterstützung durch Externe ausgeben (müssen), sinnvoller investiert werden“, schließt sich Vahrson an. „Aktuell wird in ganz Deutschland so viel gebaut und saniert, dass Sie gar keinen Planer oder Architekten mehr bekommen, die arbeiten ja selbst alle auf Kante. Um das zu verhindern, sollte Geld für Infrastrukturmaßnahmen im Krankenaus kontinuierlich und mit Maß und Ziel fließen statt in periodischen Platzregen, die ein flächendeckendes Durchfeuchten der ausgetrockneten Böden schwierig machen.“

Umweltschutzmaßnahmen komplett fördern

Förderprogramme für den Umweltschutz wiederum bezuschussen in der Regel nur einen Teil der jeweiligen Maßnahmen. Das heißt, Krankenhausbetreiber müssen in den meisten Fällen noch ordentlich drauflegen. Auf diese Weise entstehe fast zwangsläufig immer nur das technisch Notwendige und nicht das energetische Optimale, so Franzen. „Unsere Kliniken haben schlicht nicht die Luft, mehr zu tun. Wenn die Politik das Thema Klimaschutz also ernst meint, müssen entsprechende Maßnahmen zu 100 Prozent gefördert werden“. „Darüber hinaus brauchen wir eine Energiegesetzgebung, die jegliche Aktivitäten in Richtung Klimaneutralität nach Kräften unterstützt und nicht durch eine beinahe schon wahnwitzige Bürokratie behindert. Klimaschutz muss niederschwellig und so leicht wie möglich sein“, fordert Träger, „sonst kommen wir mit der Energiewende nicht voran. Macht doch was, dass es nicht so megakompliziert ist“, lautet sein Appell an die neue Regierung.

„Vielleicht könnte ja ein spezielles Krankenhaus-Energieeffizienz-Gesetz helfen, zusätzliche Mittel in entsprechende Maßnahmen zu lenken und diese gleichzeitig zu vereinfachen. Letztendlich betreffen Ausgaben und Einsparungen in diesem Sektor doch immer auch die Allgemeinheit“, überlegt Franzen. Egal wie: Wenn es die Politik Krankenhausbetreibern nicht leichter macht, wird sich in diesen energieintensiven Einrichtungen wenig ändern (können). „Die Lücke, die beim Thema Nachhaltigkeit zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft, ist riesig“, schließt Franzen. „Wir müssen endlich ins Handeln kommen und dieses die Zukunft unserer Nachkommen verschlingende Loch schließen.“ Mehr gut ausgebildetes technisches Personal, einfache Regularien und durchdachte Förderprogramme könnten Vieles vereinfachen.

Maria Thalmayr

 

 

Fachtagung Technik im Gesundheitswesen 2022

Kontinuierlich besser werden

„Nachhaltiger Fortschritt – weil Gesundheit die beste Technik braucht!“ dieses Motto der Fachtagung Technik im Gesundheitswesen am 28. und 29. September 2022 in Gelsenkirchen mag vor den schwierigen Rahmenbedingungen, unter denen Gesundheitseinrichtungen agieren, abgehoben bis unerfüllbar klingen, räumen die FKT-Vorstände ein. „Doch abheben wollen wir genau nicht. Stattdessen diskutieren wir auf unserem Branchentreffen Möglichkeiten, wie wir unter den gegebenen schwierigen Umständen dennoch Schritt für Schritt besser werden können. Das Attribut „nachhaltig“ sei damit durchaus im doppelten Wortsinn zu verstehen“, erklären die FKT-Vorstände. Auf der 5. Fachmesse Krankenhaus Technologie, die im Umfeld der Fachtagung Technik im Gesundheitswesen Lösungen für nachhaltigen Fortschritt präsentiert, tauschen Entscheider aus dem Krankenhaus ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit der Industrie. Denn: Beste Technik für die Gesundheit funktioniert nur gemeinsam.

Aussteller erhalten noch bis Ende März Frühbucherrabatt. Mehr Informationen finden Sie unter www.fachmesse-krankenhaus-technologie.de.