FKT-Online-Seminar: Nachhaltigkeit im OP-Umfeld

Mit ihren aufwändigen technischen Anlagen sind Operationssäle Großverbraucher an Energie. Dazu kommt das beachtliche CO2-Äquivalent von Narkosegasen. Für den Klimaschutz bieten OPs damit stattliches Potenzial. Eines, das mit oft erstaunlich wenig Aufwand gehoben werden kann.

Das beim Thema Nachhaltigkeit überaus ambitionierte Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) geht auch in den OPs mit gutem, zur Nachahmung empfohlenen Beispiel voran. 

Kleine Maßnahmen mit großer Wirkung

Im FKT-Online-Seminar „Nachhaltigkeit im OP-Umfeld“ erklärte der Leiter der UKE-Vorstands-Stabsstelle Nachhaltigkeit und Klimamanagement, Frank Dzukowski: „Schon einfache Änderungen der OP-Routine können eine große Wirkung entfalten: Wenn nach dem letzten operativen Eingriff eines Tages die Narkosegasfortleitung entkoppelt wird, können pro Jahr und Anästhesiearbeitsplatz 4380 Kubikmeter Druckluft und damit rund 0,69 Tonnen CO2 sowie 263 Euro Energiekosten eingespart werden. Bei 80 entkoppelten Geräten bringt das dem UKE eine nicht banale CO2-Ersparnis und darüber hinaus 21.040 Euro weniger Energiekosten. Geld, das man sich leicht abholen kann.“ Und so kommt es zu der Effizienzsteigerung: Der Sog des Anästhesiegasfortleitungssystems (AGFS) wird durch einen Ejektor erzeugt, der durch medizinische Druckluft angetrieben wird. Sobald der AGFS-Stecker aus der Entnahmestelle entkoppelt wird, verbraucht das System keine Druckluft mehr. Daher führt ein Entkoppeln des AGFS zu einer Reduktion des Druckluft- und damit des Stromverbrauchs für die Drucklufterzeugung. Schulung sei bei all diesen Maßnahmen das A und O, ergänzt Dzukowski.

Lüftungsanlagen optimiert betreiben

Die wirklich großen Energiefresser im OP seien aber natürlich die geforderten aufwändigen Klima- /Lüftungsanlagen. In ihrer Komplexität bieten sie zahlreiche Ansatzpunkte für ökonomisch und klima-wirksame Maßnahmen: „Die Anlagen sollten mit Wärmerückgewinnungssystemen (WRG-Systemen) ausgestattet sein, für alle Witterungsphasen gut programmiert und im Idealfall nutzungs- und temperaturbezogen zentral gesteuert werden. Der optimierte Betrieb muss kontinuierlich überprüft werden. Das erfordert eine durchdachte Zähler- und Messstruktur sowie aussagekräftige Kennzahlen. Beides werde im UKE laufend weiterentwickelt. Auch eine Teil-Erneuerung durch den Austausch älterer Ventilatoren im Rahmen sogenannter Retrofit-Ansätze sei fast immer sinnvoll. 

Weiteres enormes Sparpotenzial bietet ein Abschalten der OP-Belüftung in der betriebsfreien Zeit. Da diese Maßnahme durch die DIN 1946-4 „Raumlufttechnische Anlagen in Gebäuden und Räumen des Gesundheitswesens“ nicht abgedeckt ist, wird dieses Potenzial in vielen Kliniken nicht genutzt. Unter kontrollierten Bedingungen, will heißen durch sorgfältige Messungen zur Sicherstellung hygienisch einwandfreier Bedingungen in den OPs, sei es dennoch rechtssicher möglich, diese mit angemessenem Aufwand realisierbare Effizienzmaßnahme umzusetzen, erklärte Dzukowski. Am UKE folgt man hier dem Beispiel des Universitätsklinikums Dresden, wo die OP-Belüftung seit vielen Jahren ohne negative Auswirkungen auf die Ergebnisqualität der dort durchgeführten Eingriffe abgeschaltet wird. Das Herunter- und rechtzeitige Wiederhochfahren der Lüftung wird am UKE in den entsprechend umgerüsteten OP-Sälen durch Bewegungsmelder gewährleistet.

Weiteres Einsparpotenzial bieten dezentrale, effizient gesteuerte Wärme- und Kälteanlagen und Pumpensysteme. Lange Dampfleitungen seien energetisch zu bewerten und gegebenenfalls durch eine dezentrale verbrauchernahe Dampferzeugung zu ersetzen, rät Dzukowski. Hilfreich und sinnvoll sei bei der Steuerung und Optimierung von Betriebszeiten, -zuständen und -temperaturen – immer in Abstimmung mit den Anwendern – die Nutzung von digitaler Gebäudeleittechnik (GLT).

Lachgas komplett ersetzen

Beachtliches Einsparpotenzial bietet im OP außerdem die Versorgung mit medizinischen Gasen. Kompressoren sollten bedarfsgerecht dimensioniert, Wärme gegebenenfalls zurückgewonnen werden. Redundante Systeme gilt es, im Sinne einer möglichst langen Lebensdauer gleichmäßig auszulasten. Eine nicht immer nötige Kühltrocknung der Druckluft kann vermieden werden. Dichtigkeits- und Leckage-Prüfungen des gesamten Systems und vor allem der Entnahmestellen (Dichtringe werden langfristig porös!) erhöhen die Effizienz ebenso wie das eingangs beschriebene Entkoppeln der Narkosegasfortleitung in der betriebsfreien Zeit.

Eine enorme CO2-Reduktion bringt am UKE darüber hinaus der vollständige Verzicht auf Lachgas, das ein weit höheres CO2-Äquivalent aufweist als das stattdessen eingesetzte Sevofluran oder eine intravenöse Narkoseführung (TiVA). Noch höher ist übrigens das CO2-Äquivlalent von Desfluran (siehe Abbildung oben). Zusätzliches Einsparpotenzial entsteht durch eine optimierte Narkoseführung. Statt einer High-Flow-Anästhesie mit 5 l/min erhalten die Patienten im UKE eine Minimal-Flow-Anästhesie mit 0,5l/min. Das spart CO2, Geld, vermeidet Ressourcenverschwendung und stellt für den Patienten keinen Unterschied dar. Der Effekt zwischen der bestmöglichen und der klimaschädlichsten Narkoseführung liege bei einem stattlichen Faktor 470, betonte Dzukowski.

Verbrauchsmaterial einsparen

Narkosegas Auffang- und Recycling-Systeme - die übrigens für einen Einsatz mit Lachgas nicht geeignet sind - könnten weitere Einsparungen erreichen, da über sie volatile Narkosegase wie Sevofluran mit einem Aktivkohlefilter aufgefangen werden und erneut verwendet werden können. Allerdings ist das Verfahren noch nicht standardisiert verfügbar, da an verschiedenen Stellen noch regulatorische Anforderungen erfüllt werden müssen.

Verbrauchsmaterialien wie Atemkalkabsorber-(Kartuschen) zur Bindung von CO2 aus der Ausatmung können mittlerweile an Hersteller zurückgegeben und aufbereitet werden. Wiederverwerteter Atemkalk ist nicht mehr Teil der Abfall- und CO2 ‐Bilanz des Krankenhauses. Gegenüber der Verbrennung werden so für das UKE pro Absorber etwa 700g CO2 ‐Äquivalent eingespart. Wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll ist außerdem eine - hygienisch sorgfältig abgewogene - längere Nutzung von Patienten-Schlauchsystemen gemäß der DGKH-/DGAI-Empfehlungen. Semikritische Medizinprodukte wie zum Beispiel Kreisteile aus Atemsystemen müssen nicht bei jeder Aufbereitung sterilisiert, sondern können zwischendurch gemäß der KRINKO (RKI)-/BfArM-Empfehlungen lediglich gereinigt und desinfiziert werden. Auch das spart Energie.

Zu diesem umfassenden Maßnahmen-Katalog gesellen sich am UKE der animierende Dialog mit Herstellern über Möglichkeiten einer Kreislaufwirtschaft ihrer Produkte sowie die Reduktion von Verpackungsabfällen. Übrige Medikamente werden recycelt und die Wirkstoffe der Forschung zur Verfügung gestellt, Laboranforderungen möglichst reduziert und an den konkreten Bedarf angepasst. 

Das Paket an Nachhaltigkeitsbemühungen ist am UKE über den OP hinaus in allen Bereichen enorm. Erfolgskriterium sei das Einbeziehen aller Beschäftigen, das konsequente Thematisieren von Nachhaltigkeitsthemen sowie eine gelebte Vorbildfunktion, schließt Dzukowski.

Maria Thalmayr

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