Elektrische Anlagen: Verramschte Expertise gefährdet den Betrieb

Nie wurde die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Blackouts höher eingeschätzt als zu Beginn dieses Winters. Gesundheitseinrichtungen müssen auf dieses Szenario vorbereitet sein – immer und nicht erst wegen der aktuellen kritischen Lage. Jetzt soll es der Gärtner richten – im Ernst!?

Unser Alltag wird immer elektrischer. Zunehmend wird das auch wahrgenommen: E-Mobilität, Photovoltaik, Wärmepumpen und Energiesparen sind Themen, wo immer Menschen zusammensitzen und sich austauschen. Magazine, Talkshows ja sogar die Nachrichtensendungen diskutieren Möglichkeiten, vorrangig elektrische Energie zu nutzen, für Mobilität, zum Heizen, … Speicher zu produzieren und prognostizieren einen bevorstehenden Blackout.

Elektrotechniker – ein zunehmend rares Gut

Blickt man indes in unsere Firmen, deren Kerngeschäft durchaus mit Elektrotechnik zu tun hat, in Hochschulen, die elektrotechnische Fächern anbieten, dann ist man erstaunt, wie leer die Reihen sind. Richtig wundern muss man sich darüber nicht. Elektrotechnik ist ein sehr großes und vielfältiges Fachgebiet, dessen Komplexität sehr viel mathematisch-physikalisches Verständnis erfordert. Nicht ohne Grund sind Lehrberufe und Studienzeiten in diesem Fachgebiet lang, schließen auch nicht mit einem Zeugnis ab, sondern erfordern sehr viel Berufserfahrung. Denn in der Elektrotechnik haben wir es mit physikalischen Phänomenen zu tun, die auf Modellen basieren. Elektrizität ist ein unsichtbares Medium. Der Umgang mit ihr erfordert neben physikalischem Wissen Fantasie und Disziplin. Diesen zumindest scheinbaren Widerspruch zwischen Alltäglichkeit und unsichtbaren Phänomen können wir feststellen, belächeln oder manchmal auch beklagen. Wenn es aber darum geht, dass Elektrizität unmittelbar für den Erhalt von Menschenleben benötigt wird, dann sollten wir uns der Ernsthaftigkeit eines Problems zuwenden: Elektrotechniker im Gesundheitswesen.

Stiefkind Vorsorge

Derzeit sind wir in Deutschland überall dabei, unsere kritische Infrastruktur gegen Angriffe von außen zu wappnen. Sei es der schon genannte Blackout oder ein Cyberangriff - Krankenhäuser sind bei den verschiedensten Katastrophenszenarien immer automatisch ein Mittelpunkt. Hier kommen die Menschen hin, weil sie verletzt sind, weil sie Angehörigen beistehen wollen, weil hier noch Licht brennt oder nur, weil der Schutznimbus eines Krankenhauses auch in der Krise weiterbesteht. Und jetzt stehen diese Häuser vor dem Problem, dass sie jahrelang nur sehr wenig für die Vorbereitung auf solche Szenarien getan haben. Natürlich ist gesetzlich vorgegeben, dass ein Krankenhaus zumindest erste Sicherungsmaßnahmen für einen Blackout vorhalten muss. Die Erkenntnis des Verfassers aus zahlreichen Hilferufen in den letzten Wochen ist jedoch, dass diese Sicherheitsvorkehrungen jahrelang immer weniger Beachtung fanden. Wirtschaftliche Interessen oder auch Zwänge standen im Vordergrund, es gibt weder vernünftige Pläne, was bei einem Blackout zu tun ist, noch wurden solche Szenarien im Krankenhaus mal wirklich durchdacht und geübt. Wie überall kommt hier „der Strom aus der Steckdose“.

Auf dem Altar des Outsourcings geopferte Kompetenz

Ganz sicher lässt sich manches Versäumnis im Katastrophenschutz wieder aufholen. Man stellt finanzielle Mittel zur Verfügung und umtriebige Firmen sind bereit, trotz Lieferengpässen und anderen Problemen Einrichtungen im Gesundheitswesen zu unterstützen. All das darf aber nicht überdecken, dass die Krankenhäuser elektrotechnisch kompetent betreut werden müssen. Sie sind nicht nur ein Teil der kritischen Infrastruktur, sondern auch Gebäude, die besonders hochwertig mit elektrotechnischen Anlagen ausgerüstet sein müssen, damit der moderne medizinische Betrieb überhaupt möglich ist. Und hier rächt sich nun die Sichtweise der Vergangenheit, die die technischen Voraussetzungen für einen Krankenhausbetrieb vom sogenannten medizinischen Kerngeschäft abgekoppelt, elektrotechnische Kompetenz im Krankenhaus dezimiert und dessen Aufbau grob vernachlässigt hat. Es wäre zu einfach hier jetzt nur in den Chor derjenigen einzustimmen, die überall den Fachkräftemangel beklagen. Nein, es ist ein systemisches Problem, welches schon vor Jahrzehnten damit begann, aus teuren Personalkosten Sachkosten zu machen, indem man wichtige Kompetenz auf dem Altar des Outsourcings opferte. Kompetente Mitarbeiter wurden auf Hausmeisterebene gestellt, die fortan als Sachkosten kaum noch für ihr kompetentes Wissen bezahlt wurden. Identifikation mit den Häusern wurde so reihenweise zunichte gemacht und die notwendige fachliche Anleitung entweder gar nicht erkannt oder auf allgemeine Kurse zur Kundenzufriedenheit und betriebswirtschaftliche Optimierung reduziert. So finden sich gegenwärtig in den beim Verfasser eilig angeforderten Weiterbildungskursen zur Elektrotechnik im Gesundheitswesen gärtnerisch tätige Mitarbeiter, die nebenbei das Notstromaggregat bedienen sollen, oder Verwaltungsmitarbeiter, die ein Projekt Notstromversorgung in ihrem Hause initiieren sollen.

Den Fehler im System korrigieren

Die gegenwärtige Situation führt uns wie mit einem Blick durch eine Lupe übergroß vor Augen, welche Fehlentwicklungen seit Jahren in unserem Land dazu geführt haben, dass so wichtige Kompetenz bereitwillig aus dem Haus getrieben und natürlich auch nicht neu aufgebaut wurde. Sicher gibt es Gründe, die nicht zwingend allein im Gesundheitswesen zu suchen sind, sondern auch in der Gesamtgesellschaft. Da ist die Fachkräfteausbildung, die unter versäumten Anreizen zur Ausbildung in MINT-Berufen leidet, die teilweise völlig übertriebene Akademisierung, aber auch die mangelhafte Wertschätzung dieser Berufe gepaart mit Angst vor technischer Verantwortung. Die wenigen, die es dennoch wagen, erfahren leider allzu oft wenig Motivation, die elektrische Infrastruktur eines Krankenhauses aufzubauen und zu verantworten. Sei es wegen mangelnder finanzieller Anreize, aber auch weil sie wissen, dass sie ein Einzelkämpferdasein fristen werden, welches oftmals in einer Auseinandersetzung mit ausschließlich betriebswirtschaftlich orientierten Vorgesetzten mündet, die mangels eigener Kenntnis der Materie ihr Heil in der aufgebotenen Quantität an Mitarbeitern ihres eigenen Fachs suchen. Manchmal vielleicht auch mit der heimlichen Angst, dass da jemand ist, der etwas versteht, was sie selber eben nicht verstehen und deshalb in der Lage wäre, Macht auszuüben.

Die aktuelle Situation ist misslich. Unser Gesundheitswesen muss auch im Krisenfall funktionieren. Dazu kommt: Durch die Einführung moderner innovativer Technologien sollen wir auch den Klimaschutz voranbringen. Die Elektrotechnik steht dabei immer ganz vorn. Doch wir haben diese Kompetenzen in den vergangenen Jahren ganz bewusst abgebaut und ausschließlich als Kostenfaktor betrachtet. Nun gilt es, zu retten, was zu retten ist. Die Fachvereinigung Krankenhaustechnik e.V. (FKT) ist als bundesweit tätiger Ansprechpartner für die Krankenhaustechnik bereit, diejenigen fachkompetent zu unterstützen und zu beraten, die noch da sind und denen Mut zu machen, die es wagen einzusteigen. Es ist aber auch klar, dass alle Beratung nichts bewirken kann, wenn die systemischen Fehler nicht umgehend erkannt werden und gegengesteuert wird. Auch hier ist eine Zeitenwende nötig.

Thomas Flügel, Leiter des FKT-Referates Elektrotechnik

Weiter denken: Blackout-Vorsorge-Checkliste Krankenhaus

Die gegenwärtige angespannte politische Lage richtet Schlaglichter auf Schwachstellen unserer Infra- und Versorgungsstrukturen. Das gilt nicht zuletzt für die Blackout-Vorsorge. 

Panikmache ist sicher fehl am Platz. Vorbereitungen zu treffen, um den Krankenhausbetrieb auch ohne öffentliche Netzversorgung möglichst lange aufrecht zu erhalten, sollten jedoch in jeder Klinik selbstverständlich sein - immer und unabhängig von speziellen Risikofaktoren. Dazu gehört weit mehr als eine sichere und gut funktionierende Notstromversorgung. Krankenhausbetreiber müssten in der Vorbereitung auf dieses Szenario über das Medium Strom und die eigenen Mauern hinausdenken, fordert FKT-Präsident Horst Träger. In einem offenen wachsenden Dokument stellt die Fachvereinigung Krankenhaustechnik e.V. (FKT) eine Checkliste mit Fragen zur Verfügung, die sich alle für einen resilienten Krankenhausbetrieb Verantwortliche stellen sollten.

Senden Sie Ihre Anregungen zu diesem Thema gerne an maria.thamayr(at)fkt(dot)de oder horst.traeger(at)fkt(dot)de, dann nehmen wir diese in das Dokument mit auf:

Hier geht es zur Checkliste