Schwarzschalttests: Nicht nur irgendwie compliant sein

Der Beitrag „Nur ein Schwarzschalttest zeigt, wo es im Ernstfall hakt“, erschienen in den FKT-Nachrichten April eröffnete eine lebhafte Diskussion. Sie zeugt von mangelndem Risikobewusstsein gegenüber einer infrastrukturellen Schlüsseltechnologie. Oft reicht es eben nicht, nur „irgendwie compliant“ zu sein. Thomas Flügel schreibt dazu:

Auch wenn die Anlässe, über eine sichere Stromversorgung nachzudenken, unschöne sind, so ist bei all diesen bedauerlichen Umständen doch positiv, dass wir uns dieser längst überfälligen Diskussion endlich stellen. Allen, die sich daran beteiligen und mit Gedanken und Anregungen dazu beitragen, die möglichst besten Wege zu finden, sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Nicht nur den Brandfall betrachten

Die Gewöhnung an die sprichwörtliche Tatsache, dass „der Strom aus der Steckdose kommt“ hat Gedankenlosigkeit befördert und uns im Einklang mit weit verbreitetem technischem Unwissen in der Organisation für den technischen Notfall weit zurückgeworfen. Neben der Tatsache, dass es in medizinischen Einrichtungen immer um Gesundheit, oft sogar um Leben und Tod geht, ist ein sehr grundlegendes Problem, dass unsere gesetzlichen Vorgaben bezüglich der Notstromversorgung immer nur ein Katastrophenszenario kennen, nämlich den Brand. Unsere Bauordnungen, unsere technischen Normen und Richtlinien, alles, was sich mit Stromausfall in irgendeiner Weise beschäftigt, koppelt einen Stromausfall immer an den Brandschutz. Die technische Entwicklung ist aber inzwischen sehr viel weiter gegangen und wir haben immer mehr Lebensbereiche, in denen sich katastrophale Zustände einstellen, wenn der Strom ausfällt. Man denke hier an Rechenzentren, komplexe technologische rechnergestützte Herstellungsprozesse oder Vorgänge, die bei einem Stromausfall umweltschädigende Stoffe freisetzen würden. All das hat überhaupt nichts mit Feuer und Rauch zu tun, sondern ist an sich schon katastrophal. Einzig Krankenhäuser haben auch schon früher immer wieder angemahnt, dass die Katastrophe beim Stromausfall nicht nur an den Brandschutz gekoppelt werden sollte. Deshalb ist die Diskussion im medizinischen Bereich besonders stark und sollte auch so begriffen werden, dass verantwortliche technische Betreiber von Krankenhäusern hier für die Gesamtsicht eine Vorreiterrolle spielen.

Strukturierte Notstromversorgung

Zunächst gilt es, eine Notstromversorgung schutzzielorientiert zu strukturieren. Dabei steht außer Frage, dass eine Abstimmung zwischen dem Schutzziel Patient und den technischen Erfordernissen erzielt werden muss. Die technischen Erfordernisse lassen sich darin zusammenfassen, dass technische Anlagen, die nicht benutzt, nicht bewegt werden, sich sprichwörtlich kaputt stehen. Auch kann man nur mit hoher Wahrscheinlichkeit garantieren, dass eine Anlage zur Notstromversorgung überhaupt funktioniert, wenn sie regelmäßig getestet wird.

In einem Krankenhaus ist ein solcher Test immer problematisch und das besonders dann, wenn man nicht weiß, was einen alles erwarten könnte. Aber gerade deshalb gilt es, durch regelmäßige Tests, unangenehme Überraschungen immer weiter zu minimieren, damit die Versorgungsstruktur einer gewissen Logik folgt und – was auch ganz wichtig ist – die Nutzer, die Ärzteschaft, das Pflegepersonal und alle anderen Mitarbeiter den Zustand eines Stromausfalls als Möglichkeit begreifen. Während eines Tests haben sie die Möglichkeit, eine solche Situation regelmäßig zu üben - ohne in Panik zu verfallen. Wohlgemerkt sollten solche Tests nicht Selbstzweck sein und bei allen technischen Zwängen die Orientierung am Schutzziel Patient nicht außer Acht gelassen werden.

Versucht man, solche regelmäßige Testszenarien durchzudenken, so fällt sofort auf, dass diese nur sehr individuell auf die einzelnen Einrichtungen zugeschnitten erfolgen können. Dies liegt beispielsweise auch an der Schwerpunktsetzung jeder Einrichtung. Daraus ergibt sich, dass es müßig ist, dazu jeweils auf spezielle gesetzliche Regelungen zu warten. Es ist offensichtlich, dass für jeden dieser vielfältigen Nutzungsfälle keine Einzelregelungen erlassen werden können.

Viel besser ist es, die Notstromversorgung so zu strukturieren, dass eine sinnvolle Versorgung auch im Notfall stattfindet und damit letztlich auch wirtschaftlich vertretbare Strukturen entstehen. Dazu gilt es zunächst, die zwei Aufgaben im Notstromfall zu identifizieren: Eine Aufgabe ist, Leben unmittelbar zu retten und zu erhalten. Die zweite Aufgabe ist es, in einem Krankenhaus als mögliches Zentrum in einem Katastrophengebiet für lange Zeit einen Notbetrieb aufrecht zu erhalten. Beides ist ein unterschiedlicher Ansatz. Während es bei der Lebensrettung auf Schnelligkeit und wenn irgend möglich auch gute Versorgungsparameter ankommt, steht beim Notbetrieb nicht zwingend die Schnelligkeit auf dem Programm, sondern eher eine stabile Versorgung über eine möglichst lange Zeit. Noch ein wesentlicher Faktor in dieser Struktur ist die Art der Notstromversorgung. Hier hat es sich bewährt und die vorhandenen technischen Vorschriften orientieren sich auch daran, dass man unterscheiden sollte, was eine infrastrukturelle Notstromversorgung und was eine medizingerätespezifische Notstromversorgung darstellt. In der Vergangenheit ist diese Struktur derart verwischt worden, dass wir inzwischen in einem großen Teil der Krankenhäuser technisch und wirtschaftlich nahezu unbeherrschbare Notstromversorgungen haben. Hier gilt es gegenzusteuern oder sogar „auszumisten“.

Für die elektrotechnische Infrastruktur von medizinischen Einrichtungen gibt es eine Norm: die DIN VDE 0100-710:2012-10. Sie regelt alles, was mit dem Gebäude selbst fest verbunden ist und was der allgemeinen Versorgung dienen muss. Gleichzeitig geht es bei dieser Regelung auch darum, eine stabile und zuverlässige Versorgung zu bieten, selbst dann, wenn sich durch Innovation oder verschiedene Nutzungsänderungen im Haus Bedingungen ändern sollten. Hierbei soll berücksichtigt werden, dass es oftmals einen Widerspruch zwischen den Anforderungen an die infrastrukturelle Versorgung und die spezifisch medizintechnische Versorgung gibt. Die dazu gültige Norm sieht vor, dass eine Notstromversorgung in einem Krankenhaus spätestens nach 15 Sekunden einsetzen muss.
Für eine Struktur ist es deshalb wichtig, dass jedwede weitere Notversorgung auf diese infrastrukturelle Notstromversorgung aufbauen kann. Sollen medizinische Geräte eingesetzt werden, die die technologisch bedingte Unterbrechung von 15 Sekunden nicht tolerieren können, sollte die Struktur so errichtet werden, dass Vorkehrungen dafür dem jeweiligen medizinischen elektrischen Gerät direkt zugeordnet werden. Sehr viele Medizinproduktehersteller haben sich inzwischen darauf eingestellt und nehmen auch Rücksicht auf die bekanntermaßen normungsrechtlich vorgegebene Unterbrechungsmöglichkeit von 15 Sekunden im infrastrukturellen Netz von medizinischen Einrichtungen. Leider wurde in der Vergangenheit der strukturelle Fehler begangen, technisch aufwendige und teure batteriegestützte Anlagen in die Infrastruktur zu integrieren, um medizinische elektrische Geräte, die eine 15 Sekunden-Unterbrechung nicht tolerieren würden, gefahrlos weiter zu versorgen. Dies ist in sehr wenigen Einzelfällen auch richtig, in der überwiegenden Zahl gehören aber solche Einrichtungen nicht in die Infrastruktur, sondern an das medizinische elektrische Gerät, das es betrifft.

Die Notwendigkeit von Schwarzschalttests steht nicht zur Diskussion

Nach einer Überprüfung der technischen Gesamtstruktur gilt es, einen Test zur Notstromversorgung vorzunehmen. Dessen Notwendigkeit ist unstrittig, denn nur was geübt wird, funktioniert auch im Notfall. Die Normen schreiben hierzu für ein in der Infrastruktur installiertes Notstromaggregat einen monatlichen Test vor. Dieser dient zunächst der regelmäßigen Belastung des Motors und soll, wenn vom Hersteller nicht anders gefordert, möglichst mit einer Belastung von 80% oder mehr über 60 Minuten erfolgen. Ein solcher Test kann im Netzparallelbetrieb oder in seltenen Fällen auch mit Ersatzwiderständen so durchgeführt werden, dass der Nutzer davon nicht betroffen ist. Der Test aber versetzt die verantwortlichen Techniker in die Lage, von einer Funktion des Aggregats im Notfall ausgehen zu können.

Wenigstens einmal im Jahr müssen allerdings auch Schaltvorgänge, die beim Notstromfall notwendig werden, auf ihre Funktion getestet werden. Dies erzwingt unmittelbar die Simulation eines echten Stromausfalls. Oft ist das technisch ohne Probleme möglich, jedoch bereitet es meist unendliche Schwierigkeiten im Haus selbst, alle von dieser Notwendigkeit zu überzeugen. Natürlich gilt auch hier, dass solche Tests nicht Selbstzweck sein dürfen. Doch es bedarf schon auch der Einsicht, dass nur solche Tests vor noch mehr Schaden im Ernstfall bewahren. Ist dieser Zweck erst mal erkannt, so kann es sogar sein, dass ein regelmäßiger und mehr als jährlicher Test als sinnvoller für den Katastrophenschutz erachtet wird. Dies sollte von Fall zu Fall und in jeder Einrichtung individuell überdacht werden. Die sogenannten Schwarzschalttests sollten nicht nur als allgemeine Funktionstests begriffen werden, sondern eben auch als Prüfung, ob alles Notwendige tatsächlich versorgt wird oder ob auch Versorgungen für Bereiche erfolgen, die weniger wichtig oder weniger zeitkritisch sind. Das ist viel Arbeit, die wiederum nur sehr schwer als Richtlinie vom Gesetzgeber erwartet werden kann. Das ist schlichtweg Betreiber-Verantwortung und technisch einzuübendes Management. In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, einen Plan zu haben, was eigentlich mit medizinischen elektrischen Anlagen passiert, die einen relativ kurzzeitigen Stromausfall möglicherweise nicht verkraften, deshalb unter Umständen ausfallen und dann für die Patienten nicht mehr nutzbar sind. Eine vorherige Abschaltung dieser Anlagen ist die denkbar schlechteste Lösung. Denn auch ein Stromausfall kündigt sich niemals an. Wichtiger wäre es, entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Hilfreich könnte es sein, Hersteller oder Fachkollegen zu kontaktieren, die für solche Geräte Lösungen bereit haben, die man dann für seinen individuellen Fall bedenken und gegebenenfalls übernehmen kann.

Sicherlich kann man nun die Diskussion noch weiterführen. Beispielsweise ist in der Norm für die Kraftstoffbevorratung ein Planungsgrenzwert für einen 24 Stunden-Betrieb angegeben, aber die Erfahrung lehrt, dass zunächst erstmal das bereinigt werden sollte, was sich an Fehlern in der Netzstruktur vieler Krankenhäuser und im Bewusstsein von Mitarbeitern festgesetzt hat.

Beachten Sie dazu auch die Blackout-Vorsorge-Checkliste der Fachvereinigung Krankenhaustechnik e.V.

Dipl.-Ing. Thomas Flügel
Vorsitzender DKE-UK 221.4
FKT-Projektleiter „Elektrische Anlagen im Krankenhaus“